Eckpfeiler Zukunfts-schutzgebiete
Voraussetzungen und Kriterien für koproduktive Experimentierräume
Anhand der Überlegungen zu den zwei Begriffen "Koproduktionszonen" und "netzwerkgetragene Freiraumentwicklung" möchten wir die Voraussetzungen und Kriterien für Zukunftsschutzgebiete als wirkungsvolles, städtebauliches Instrument für eine nachhaltige und soziale Stadtentwicklung diskutieren.
Input 1) Koproduktionszonen, Leona Lynen (Haus der Statistik)
Koproduktionszonen justieren das Verhältnis zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltung neu. Von der Entwicklung bis zum späteren Betrieb soll die Gemeinwohlorientierung gesichert sein. Hebel ist die Kooperation unterschiedlicher Partner, die sich und die Öffentlichkeit über gemeinsame Kooperationsvereinbarungen über gemeinsame Ziele und die Finanzierung der Entwicklung verständigen.
Am Haus der Statistik in Berlin hat sich eine solche Koproduktionszone herausgebildet: eine neuartige Akteurskonstellation – die Koop5, bestehend aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, dem Bezirksamt Berlin-Mitte, den landeseigenen Gesellschaften WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte und der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) sowie der ZUsammenKUNFT Berlin eG (ZKB) – entwickeln in gemeinsamer Verantwortung Raum für Kunst, Kultur, Soziales und Bildung, bezahlbares Wohnen, ein neues Rathaus für Mitte sowie Verwaltungsnutzungen in den Bestandsgebäuden und durch 65.000 m² Neubau im Quartier Haus der Statistik realisieren. Die Koproduktionszone am Haus der Statistik hat einen prozessualen Charakter: es ist ein lernender Prozess, der gemeinsam ausgehandelte und abgestimmte Maßnahmen und Instrumente des Gemeinschaffens mit sich bring.
Input 2) Netzwerkgetragene Freiräume, Andreas Kurths (TU Berlin / gruppe F)
Aus der Zivilgesellschaft heraus erobern Akteure gemeinschaftlich neue Freiräume, die das Mitgestalten und Mitmachen nicht nur fördern, sondern sogar erfordern. Diese Freiräume entwickeln sich dynamisch und wandeln sich immer wieder. Dynamische Entwicklung meint hier das wiederholte Oszillieren des Freiraums im Prozess seines wandelnden Werdens zwischen permanenten und temporären Aspekten. Diese Aspekte beziehen sich sowohl auf das, was der Freiraum an Nutzungsmöglichkeiten bietet (seine Angebote) als auch darauf, wer und was sich mit bzw. zu einem Freiraum verbindet (seine verknüpften Komponenten) und darauf, wo sich der Freiraum verortet (seine räumliche Präsenz). Dabei gelingt es den beteiligten Akteuren durch ihre netzwerkartige Organisations- und Raumaktivierungsweise Nischen im städtischen Gewebe erfolgreich zu besetzen. Mehr als Nischen sind es ja vorerst einmal nicht. Dennoch zeigt die zivilgesellschaftlich initiierte und netzwerkgetragene Freiraumproduktion, dass Raum ein veränderbares „soziales Produkt“ (Levèbvre, 2006) ist. Denn das eigeninitiative Stadt-Machen verändert sowohl die Gestalt als auch die Funktion des Stadt-Raums. Was vorher eine zugewachsene und vermüllte innerstädtische Brachfläche war, hat sich dann vielleicht zu einem soziokulturellen Treffpunkt und einer wichtigen Anlaufstelle für das umliegende Quartier entwickelt. Angefangen haben solche Projekte oftmals als Zwischennutzungen von Brachen oder leerstehenden Gebäuden.
Doch durch die aktuell zu beobachtende bauliche Verdichtung der europäischen Städte geht das „Zwischen“ der Brachennutzungen spürbar zu Ende. Es spricht jedoch einiges dafür, dass die Gründe für das Hervorbringen netzwerkgetragener Freiräume weitaus vielschichtiger und tieferliegender sind als die einer Mode oder eines Hypes. Somit ist davon auszugehen, dass nicht das Ende für alternative und ungewöhnlich gewachsene Freiraumproduktionen naht, sondern gerade erst der Beginn einer neuen Entwicklung beobachtet werden kann. Das gilt auch, wenn vermutlich nicht jedes aus einer Initiative der Zivilgesellschaft gestartete Projekt in 10 oder 20 Jahren noch existieren wird.

Veranstaltungshinweis:
Auf dem Weg ins Zukunftsschutzgebiet...